Drastik und Trost
Zu den Gedichten von Laura Friedrich
von Jan Kuhlbrodt
Laura Friedrichs Kunst arbeitet an einer Schwelle, einem Moment, das ein Übergang sein kann, aber auch ein Ende. Das macht sie so eindringlich und in dieser Eindringlichkeit auch schön.
»Death be not proud, though some have called thee
Mighty and dreadfull, for, thou art not so,
For, those, whom thou think'st, thou dost overthrow,
Die not, poore death, nor yet canst thou kill me.«
»Sei nicht vermessen, Tod, wenngleich man dich
gewaltig, furchtbar nennt: dies bist du nicht!
Denn jene, die anscheinend du zerbrichst,
bestehen fort, geradeso wie ich.««
Das schrieb der britische Renaissancedichter John Donne, der bedeutendste Vertreter metaphysischer Dichtung.
Die Adoleszenz, diese dramatische Zeit des Umschlagens der Jugend in ein Erwachsenenleben, ist nicht selten, und vielleicht immer und für jede und jeden, eine Verlustgeschichte, ein Verlust nämlich überschäumender Illusionen und vorgestellter Weite, die jetzt in das Korsett gesellschaftlicher Konventionen überführt werden. Der französische Philosoph Louis Althusser sprach in diesem Zusammenhang sogar vom Mord an der Kindheit.
Dieser metaphorische Ausdruck Althussers findet aber zuweilen eine reale Entsprechung. Die Selbsttötungsrate ist unter Jugendlichen höher als in den mittleren Jahren des Lebens und steigt erst im Alter wieder an.
Laura Friedrichs Gedichtband mit dem Titel »Kleine schwarze Handschuhe die meine Organe wenden« erweist sich als eine kompakte lyrische Arbeit, ein Langgedicht oder Poem, das sich einerseits in die Tradition epischer Versuche stellen lässt und andererseits auch in die Folge klassisch zu nennender dramatischer Adoleszenzgeschichten von Goethe bis J. D. Salinger und Sylvia Plath.
Immer wieder gerät das Gedicht dabei in den Modus der Selbstreflektion des lyrischen Ichs. Es formiert sich doppelt als Erzählendes und auch als Gegenstand der Erzählung als Heranwachsendes, mithin Erwachendes. Gespiegelt wird dieses Erwachen im Tod einer nahen Freundin. Gleichzeitig vermag es die Autorin, Stimmen aus der Umgebung der Protagonistinnen hörbar und ihre Gestalten sichtbar zu machen und somit die sozialen Geflechte erlebbar.
Den lokalen und landschaftlichen Hintergrund bildet die Thüringer Provinz und zeitlich ist das Projekt am Anfang des 21. Jahrhunderts angesiedelt. Geschichte zittert nach und die Gegenwart entbirgt sich (zuweilen) auch in Popkulturellen verweisen.
Es gelingt der Autorin, Modi zu einwickeln, in der das Erzählte lyrisch formal sich entfalten kann. Die Erzählung kulminiert in einer Reihe von Einzelgedichten in einem gewissermaßen formal lyrischen Abschluss.
Erstaunlich souverän werden in Laura Friedrichs Arbeit Tradition und Zeitgenossinnenschaft ineinander verflochten. Das universelle Drama der Adoleszenz, das von jeher zu den grundlegenden Themen, ja Gründungsthemen der Literatur gehört, erfährt in ihrer Arbeit eine Verjüngung, indem es eine heutige zeitgenössische Gestalt erhält.
Die Autorin selbst beschreibt es so: »Im Versuch den Verlust zu greifen und sich somit auch selbst in der Welt zu halten, geht das lyrische Ich auf verschiedenen Wegen an der Zeit entlang. Es erinnert sich an die gemeinsame Jugend, die Zeit, die man zusammen erlebt hat. Es sind Erinnerungen, die man teilt. Und jetzt nicht mehr teilt. Die Erinnerungen, die einen zurück lassen beziehungsweise lebendig werden, weil es das ist, was geblieben ist.«
Das Erwachen ist also eines vor dem Hintergrund des Todes, des Verlustes, und somit auch der Trauer. Das Erstaunliche aber ist vor allem, dass, indem Drastik nicht ausgespart wird, der Text ein enormes Trostpotential birgt.